Rotlichtverstöße gehören zu den häufigsten und teuersten Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Doch nicht jede Fahrt über die Haltlinie bedeutet automatisch, dass auch ein Rotlichtverstoß vorliegt. Das hat das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) mit Beschluss vom 07.07.2025 (Az. 201 ObOWi 407/25) deutlich gemacht.

Der Fall: Haltlinie bei Grün überfahren – Kreuzung bei Rot befahren
Ein Autofahrer überquerte bei Grünlicht die Haltlinie einer ampelgeregelten Kreuzung, hielt jedoch noch vor dem eigentlichen Kreuzungsbereich an. Während er wartete, schaltete die Ampel für seine Fahrtrichtung auf Rot. Anschließend fuhr er in die Kreuzung ein.
Das Amtsgericht wertete dies als qualifizierten Rotlichtverstoß (Rot länger als eine Sekunde) und verhängte eine hohe Geldbuße sowie ein Fahrverbot.
Entscheidung des BayObLG: Klare Trennung zwischen Haltlinienüberfahrt und Kreuzungseintritt
Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf. Entscheidend sei, zwischen zwei Situationen zu unterscheiden:
- Haltlinienüberfahrt bei Grün: Kein Rotlichtverstoß.
- Einmündung in den Kreuzungsbereich bei Rot: Kann Rotlichtverstoß darstellen.
Ein Verstoß liegt also erst vor, wenn der Fahrer bei Rot in den durch die Ampel geschützten Kreuzungsbereich einfährt. Wer bei Grün die Haltlinie passiert, dann anhält und absehen kann oder muss, dass er erst bei Rot weiterfahren kann, muss jedoch mit einer Sanktion rechnen.
Notwendige Feststellungen für ein Urteil
Damit ein Rotlichtverstoß rechtssicher festgestellt werden kann, müssen Amtsgerichte laut BayObLG genaue Feststellungen treffen, zum Beispiel:
- Dauer der Gelb- und Rotphase
- Entfernung des Fahrzeugs zur Kreuzung beim Umschalten der Ampel
- Sichtverhältnisse vor Ort
- Beweggründe für das Anhalten hinter der Haltlinie
Ohne diese Details lässt sich nicht sicher bestimmen, ob der objektive Tatbestand erfüllt ist.
Relevanz für den „Zwischenraum“ zwischen Haltlinie und Kreuzung
Die Entscheidung ist besonders wichtig für Fälle, in denen sich der Fahrer im Zwischenraum zwischen Haltlinie und Kreuzungsbereich befindet, wenn die Ampel auf Rot springt.
Je nach Rotlichtdauer kann dann ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegen – mit erheblichen Unterschieden bei Bußgeld und Fahrverbot.
Fazit für Verkehrsteilnehmer
Diese Entscheidung zeigt: Nicht jede Haltlinienüberfahrt ist gleich ein Rotlichtverstoß. Es kommt immer auf die genauen Umstände an. Fehlen diese Feststellungen, ist oft nur ein Haltlinienverstoß zu ahnden – oder das Verfahren wird eingestellt.