Der Auffahrende trägt nicht immer die Alleinschuld!
Der Anscheinsbeweis im Verkehrsrecht ist ein starker Partner des Unfallgeschädigten, wenn ein anderer Unfallbeteiligter von hinten auffährt. Bis auf einzelne Geschehensabläufe, bei denen entweder kein typischer Ablauf der Ereignisse vorliegt oder beim Geschädigten Vorsatz im Spiel ist, kommt der Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall grundsätzlich zur Anwendung.
Das OLG Hamm hat kürzlich entschieden, dass dies bei Kettenunfällen nicht grundsätzlich der Fall sein muss. Zwar spricht auch hier ein Auffahren für die Nichteinhaltung eines ausreichenden Abstandes, einer vorangegangenen Unaufmerksamkeit oder verspätetes Bremsen.
Im zu entscheidenden Fall konnte das Gericht jedoch nicht mit Sicherheit feststellen, dass der vorfahrende Unfallgeschädigte und Kläger endgültig zum Stillstand gekommen war und erst dann durch den letzten Beteiligten, den Beklagten, auf das nächste Fahrzeug aufgeschoben wurde. Da also nicht feststeht, dass der Kläger bereits stand, als es zur Kollision kam, könnte er selber bereits vorher auf den Vorfahrenden aufgefahren sein und somit den erlittenen Frontschaden eigenständig verursacht haben. Des Weiteren könnte der durch das Auffahren des Klägers auf den Vorfahrenden abrupt verkürzte Abstand zwischen den Fahrzeugen der Prozessparteien, für den Beklagten zu einer unzumutbaren Verkürzung des Anhaltewegs geführt haben
Der Anscheinsbeweis greift vorliegend nicht, da kein typischer Geschehensablauf vorliegt.
Das OLG Hamm entschied, dass die Haftung hier zu teilen ist. Der Beklagte haftet damit nur zu 50% für den Schaden am Heck des klägerischen Fahrzeuges.
(OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2014, Az.: 6 U 101/13)